Chrestomathie
der vorzüglichsten, kräftigsten und gelun-
gensten Stellen aus seinen sämmtlichen
Schriften.
Erste Periode 1783 - 1800.
In drey Bänden.
Verzeichnis jener Werke,
aus
welche diese Chrestomathie gebildet wurde.
Für die erste Periode von 1783 - 1800.
Auswahl aus den Papieren des Teufels. 8. Gera, 1789. (Die neue Auflage, siehe Palingenesien.)
Belustigungen (biographische) unter der Gehirnschale einer Riesinn 1. Thl. 8. Berlin, 1796.
Blumen, Frucht- und Dornenstücke; oder Ehestand, Leben und Tod Siebenkees. 3 Thle. 8. Berlin, 1796 - 97. (2. Aufl. 1818)
Briefe und zukünftiger Lebenslauf. 8. Gera, 1799.
Grönländische Prozesse. 2 Thle. Berlin, 1783.
Hesperus, oder 45 Hundsposttage, eine Biographie. 4 Thle. 8. Berlin, 1798. (3. Aufl. 1819)
Kampanerthal, (das), oder die Unsterblichkeit der Seele. 8. Erfurt, 1798.
Loge, (die unsichtbare). 8. Berlin, 1792.
Palingenesien, enthält Fata und Werke, vor und in Nürnberg. 2 Thle. Gera, 1798.
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Eben das, daß die Hand eines Menschen über so wenige Jahre hinausreicht, und daß sie so wenig gute Hände fassen kann; das muß ihn entschuldigen, wenn er ein Buch macht. Seine Stimme reicht weiter, als seine Hand; sein enger Kreis der Liebe zerfließet in weitere Cirkel, und wenn er selbst nicht mehr ist, so wehen seine nachtönenden Gedanken in der papiernen Laube noch fort, und spielen, wie andre zerstübende Träume, durch ihr Geflüster und ihren Schatten, von manchem fernen Herzen eine schwere Wunde hinweg.
Die Völker und die einzelnen Menschen sind nur dann am besten, wenn sie am frohsten sind, und verdienen den Himmel, wenn sie ihn genießen. Die Thräne des Grams ist nur eine Perle vom zweyten Wasser; aber die Freudenthräne ist eine vom ersten. Und darum breitest du eben, väterliches Geschick, die Blumen der Freude, wie Ammen die Lilien, in der Kinderstube des Lebens auf; damit die auffahrenden Kleinen in einem festern Schlafe bleiben!
Ach! die Philosophie, die uns die Freude verdenkt, und sie im Baurisse der Vorsicht durch- [S. 4] streicht, sage uns doch, mit welchem Rechte denn die glühenden Scherzen in unser zerbrechliches Leben traten? Haben wir nicht schon darum ein ewiges Recht auf ein warmes, weiches Dunenbette - ich denke jetzt nicht bloß an das tiefste Unterbette in der Erde - weil wir so voll Stigmen der Vergangenheit, so voll Wunden sind?
Da die geistigen Thätigkeiten keine körperlichen sind, sondern ihnen bloß, entweder nach- oder vorgehen, und da jede geistige so gut im Geiste, wie im Körper Spuren lassen muß; sind denn, wenn der Schlagfluß oder Alter die körperlichen weglöscht, darum auch die geistigen verloren? Unterscheidet denn der Geist eines kindischen Greises sich in nichts von dem Geiste eines Kindes? Soll der Geist nur den blühenden, nicht auch den welkenden Körper verspüren? Sollten wir einmal enthülset werden, so mußte es die langsame Hand der Zeit, d. h. das raubende Alter thun. Sollte einmal unsre Rennbahn nicht auf Einer Welt auslaufen; so mußte die Kluft von der zweyten allemahl wie ein Grab aussehen. Die kurze Unterbrechung unsers Ganges durch das Alter, und die längere durch das Sterben heben diesen Gang so wenig auf, wie die kürzere durch den Schlaf. Wir halten beklommen, wie der erste Mensch, die totale Sonnenfinsterniß des Schlummers für die Nacht des Todes, und diese für den jüngsten Tag einer Welt!